Transgender: ein Erfahrungsbericht

Schlanke, sportliche Figur. Knapp über 1,70 groß. Braune Haare. So beschreibt sich Elena selbst. Elena ist eine Frau. Allerdings nicht schon immer. Sie ist als Junge auf die Welt gekommen, hat aber sehr früh gemerkt, dass sie sich nicht als Junge fühlt. Wie ihre Familie und ihre Umgebung damit umgegangen ist, erfahrt ihr im Interview mit Bea von TOGGO Radio.

Das Outing: Gefühle sind nicht bloß eine Phase

Bea: Elena, wann hast du gemerkt, dass du dich nicht als Junge wahrnimmst?

 

Elena: Das war ungefähr als ich fünf Jahre alt war. Damals war ich mit meiner Mutter bei meiner Oma und meiner Tante. Meine Tante ist selber nicht viel älter als ich und hatte Freundinnen bei sich zu Besuch. Sie haben alle Kleider getragen und zur Musik getanzt. Ich habe daneben gestanden und ein bisschen neidisch geguckt. Meine Oma hat das gesehen, hat mir ein altes Kleid von meiner Tante angezogen und dann durfte ich mittanzen. In dem Moment hat sich irgendwie alles ziemlich richtig für mich angefühlt.

 

Bea: Also für dich war schon sehr früh klar, dass du dich als Junge nicht so richtig wohlfühlst. Wie war das mit deinen Eltern? Wie haben die reagiert, als du ihnen gesagt hast, dass du kein Junge mehr sein willst?

 

Elena: Der Witz ist, nicht ich habe es meiner Mutter erzählt, dass ich kein Junge mehr sein möchte, sondern sie hat es quasi mir erzählt. Ich saß bei ihr im Garten und habe überlegt, wie ich ihr das sagen soll - weil ich ihr es schon länger sagen wollte. Meine Mutter hat sich dann irgendwann zu mir gedreht und gesagt „Kann es vielleicht sein, dass du dich in deinem Körper nicht wirklich wohl fühlst?“. Darauf habe ich mit „Ja“ geantwortet. Dann war die Sache klar und sie ist sehr cool damit umgegangen.

 

Bea: Was heißt cool? Was hat sie gemacht?

 

Elena: Sie hat nichts gemacht. Also sie hat mich nicht anders behandelt als vorher. Für sie war das eine Sache, die in dem Moment geklärt war. Ich war dann einfach ihre Tochter anstatt ihr Sohn. Sie hat es gewusst und mich dann weiter so behandelt, wie sie mich vorher behandelt hat.

 

Bea: Du hast also eher gute Erfahrungen mit deinem Outing gemacht, wenn ich das richtig verstanden habe. Was rätst du den Eltern, deren Kind sich auch outet. Was wünschen sich die Kinder aus deiner Sicht?

 

Elena: Das Wichtigste ist, versucht euren Kindern nicht einzureden, dass es sich dabei nur um eine Phase handelt. Es klingt jetzt hart, aber es geht in erster Linie, wenn sich eure Kinder euch anvertrauen, um sie. Nicht um euch. Es mag sich vielleicht erstmal komisch anfühlen und es wird schwer zu akzeptieren sein, aber in dem Moment, wo das Kind euch sowas erzählt, möchte es euch in sein Leben einbinden. Deswegen ist es wichtig, da erstmal mit Verständnis zu reagieren und nicht mit Phrasen wie „Das ist nur eine Phase“.

Ein neuer Name: der Blick in die Zukunft

Bea: Ich frage jetzt extra nicht, wie dein früherer Name war, denn diese Frage stellt man nicht. Warum?

 

Elena: Es gibt einen ganz einfachen Grund, warum man die Frage nach dem Geburtsnamen nicht stellen sollte und das ist der, dass dieser Name erstens in der Vergangenheit liegt und zweitens für die Zukunft dieser Person überhaupt keine Bedeutung mehr hat. Das problematische an dieser Frage ist, dass man die Person, die versucht in die Zukunft zu schauen und sich ein neues Leben aufzubauen, damit immer wieder darauf reduziert, dass sie trans ist. Diese Person macht aber sehr viel mehr aus als nur ihr Name.

 

Bea: Dann blicken wir doch nach vorne. Wie hast du dir deinen neuen Namen ausgesucht? Wie bist du darauf gekommen?

 

Elena: Ich habe lange überlegt, welcher Name zu mir passt und welcher Name sich richtig anfühlt. Ich habe auch ein bisschen rumexperimentiert. Aber irgendwann kam wieder meine Mutter an und hat mich gefragt, ob mir ein Name eingefallen ist. Als ich dass dann verneint hatte, hat sie gesagt „Okay, dann würde ich dir gerne nochmal einen neuen Namen aussuchen“. Weil sie meine Mutter ist, hat sich ihr erster Vorschlag „Elena“ direkt richtig angefühlt.

 

Bea: Ein Name oder ein Begriff, der im Zusammenhang mit Trangender-Menschen fällt, ist ja das Wort „Transe“. Wie reagierst du, wenn dich jemand so nennt?

 

Elena: Also „Transe“ ist im ersten Moment erstmal nicht beleidigend. Weil „Transe“ eine Abkürzung für „Transvestit“ ist. Das heißt, wenn man einen Transvestiten mit „Transe“ abkürzen will, ist das in Ordnung. In dem Moment wo man aber das Wort „Transe“ auf „Transgender“ bezieht - also Männer und Frauen, die das nicht nur zum Spaß machen, sich einfach nur verkleiden und sagen „Ach, ich bin jetzt mal für diesen Abend eine Frau“ oder „Ich bin jetzt mal für diesen Abend ein Mann“, aber sich eigentlich mit ihrer Geschlechtsidentität wohl fühlen, mit der sie geboren wurden - ist das dann tatsächlich eine Beleidigung. Wir machen das nicht zum Spaß, wir machen das nicht als Verkleidung, wir machen das auch nicht, weil das irgendwie ein Fetisch von uns ist. In dem Moment ist „Transe“ eine Beleidigung für Transgender.

 

Bea: Gab es schonmal Situationen, die für Dich richtig unangenehm waren?

 

Elena: Zuletzt war eine sehr, sehr unangenehme Situation im Testzentrum, wo ich meinen Ausweis gezeigt habe. Die Person hat zweimal draufgeguckt und dann wirklich, obwohl da noch andere Leute um mich herumstanden, so laut wie es irgendwie ging durch den gesamten Raum meinen Geburtsnamen gerufen. Das war richtig unangenehm für mich. Die Person für sich hätte sagen können „Okay, so und so siehts aus. Ich mache da jetzt kein Thema draus“.